Eigeninitiative ergreifen
Im Dialog mit
Arvid Schröpfer
Was wir brauchen, ist mehr Rückenwind.
Der SV Lipsia 93 ist Sachsens ältester Fußballverein mit etwa 450 Mitgliedern. Dem anhaltenden Mangel an Hallenzeiten und Sportstätten begegnet der Traditionsverein mit kreativen Lösungen. Jule Wernhard von der Vereinsberatung Klubtalent sprach mit Lipsia-Geschäftsführer Arvid Schröpfer über Kunstrasenvorhaben und darüber, welche Unterstützungen Vereine benötigen, wenn sie Lücken in der Infrastruktur aus eigener Kraft ausgleichen wollen.
Welche Herausforderungen kommen auf Vereine im Hinblick auf Spielstätten in den nächsten Jahren zu?
Wir erleben durch die geburtsstarken Jahrgänge 2011 bis 2019 gerade einen großen Zuwachs an Mitgliedern. Was Vereine bei steigenden Mitgliederzahlen benötigen, ist ein passendes Verhältnis von verfügbaren Flächen zu Mitgliedern. Und mit verfügbaren Flächen meine ich solche, die auch im Winter bespielbar sind. Das heißt: beleuchtet und mit geringem Verletzungsrisiko bei schlechten Wetterkonditionen.
Welche Optionen haben Vereine in Regionen, in denen es an Spielstätten und deren Ausstattung mangelt?
Weil Vereine bei mangelnder Zuteilung von Hallenzeiten mehr oder minder machtlos sind, kann ich nur dazu raten, eigene Lösungen zu entwickeln. Unsere Erfahrung ist, dass die Eltern dabei mitziehen. Das heißt konkret: Sie sind beispielsweise bereit, den Mitgliedsbeitrag über die Wintermonate aufzustocken, damit ihre Kinder unter anständigen Bedingungen trainieren können.
Wir weichen beispielsweise in den Wintermonaten auf kommerzielle Anbieter von Hallen aus, weil bei den öffentlichen Angeboten einfach keine Chance besteht, die Hallenzeiten zu bekommen, die benötigt werden.
Um das Problem langfristig zu lösen, nehmen wir die Dinge aber selbst in die Hand und planen die Einrichtung einer eigenen, ganzjährig nutzbaren Kunstrasenfläche.
Eine Mammutaufgabe. Was können Politik und Kommunen in diesem Zusammenhang tun, um die wichtige gesellschaftliche Wirkung von Vereinen wie eurem zu stärken, anstatt sie zu bremsen?
Eine wichtige Funktion sehe ich in der Unterstützung von Vorhaben wie unserem darin, den Vorstand in der Vorbereitung von Bauvorhaben zu unterstützen. Um unsere geplante Kunstrasenfläche zu realisieren, gehen wir von einem Investitionsvolumen in Höhe von 1,2 Millionen Euro aus.
Da kommen bürokratische, finanzielle und steuerrechtliche Themen auf ein im schlimmsten Fall 100 % ehrenamtlich agierendes Team zu. Ehrenamtlich, also vor oder nach der Arbeit, ist diese Aufgabe aber im Grunde nicht zu stemmen.
Eine hauptamtliche Stelle ist hier dringend notwendig, alleine weil man die behördlichen Termine, die nur in der Regelarbeitszeit möglich sind, nicht wahrnehmen kann. Wir haben das Problem für uns in Zusammenarbeit mit Klubtalent gelöst, indem wir eine halbe Stelle im Verein geschaffen haben.
Um die gesellschaftliche Wirkung von Vereinen auch in einer so herausfordernden Phase weiter zu stärken, wären einerseits ein Abbau von bürokratischen Hürden notwendig,
ganz klar. Darüber hinaus wären zusätzliche Anreize für Ehrenamtliche wünschenswert, beispielsweise die Sammlung von Rentenpunkten in der Zeit, in der man sich ehrenamtlich engagiert. So ließen sich die im Regelbetrieb anfallenden Aufgaben auf mehr Schultern verteilen.
Was spricht für eine Umwandlung von Rasenplätzen, wo dieser Belag doch traditionell so beliebt ist?
Für uns: Die Tatsache, dass jedes unserer Mitglieder einen Anspruch auf Trainingsleistung hat – das ganze Jahr über. Durchnässte, gefrorene oder anderweitig vom Wetter beeinträchtigte Rasenplätze bergen eine erhöhte Verletzungsgefahr und haben sich für uns als nicht ausreichend erwiesen, um insbesondere in der kalten Jahreszeit die Trainingsleistung anbieten zu können, die wir unseren Mitgliedern versprochen haben. Kunstrasenplätze bieten bei Kälte oder Nässe weniger Verletzungspotenzial als Naturrasen.
Welche (finanziellen) Förderchancen gibt es für Vereine, die ein so wichtiges Projekt (zunächst) alleine anschieben müssen?
Wie schon beschrieben, tun sich mit einem Projekt wie unserem große finanzielle und organisatorische Herausforderungen auf. Alleine um den Bauantrag stellen zu können, müssen wir etwa 130 000 Euro an liquiden Mitteln aufbringen. Um das zu gewährleisten, sind kreative Lösungen wie Crowdfunding, Microsponsoring oder der Verkauf von Fan-Artikeln unumgänglich.
Was ich meine, wenn ich von kreativen Lösungen spreche, ist beispielsweise unsere Herangehensweise an große Betriebe als Sponsoren. Deren größter Bedarf sind aktuell fähige Azubis – zu denen wir den direkten Draht haben. Also bieten wir die Schnittstellen zu unseren Mitgliedern als Anreiz für eine Kooperation oder ein Sponsoring.
An Ideen fehlt es uns entsprechend nicht – dennoch halte ich es für notwendig, dass Vereine noch stärker dabei unterstützt werden, solche Anträge und Anschubfinanzierungen zu bewerkstelligen. Ohne die Schaffung einer hauptamtlichen Stelle für Koordination eines Projektes dieser Größenordnung sehe ich schwarz. Der bürokratische und zeitliche Aufwand ist für ein rein ehrenamtliches Team kaum zu stemmen.
Klubtalent ist Deutschlands führende Sportvereinsberatung. Das Berliner Start-up begleitet Vereine bei deren Professionalisierung, damit diese mit mehr Geld, mehr Ehrenamtlichen und vor allem mehr hauptamtlichen Mitarbeitenden ihre volle gemeinnützige Wirkungskraft auf die Gesellschaft entfalten können.
Mithilfe eines E-Learning-Programms sowie intensiven 1:1-Coachings unterstützt Klubtalent Vereinsvorstände mit Expertenwissen in den Bereichen Management, Finanzen, Personal- und Mittelbeschaffung, Organisation und Kinderschutz dabei, ihre Arbeit für die Mitglieder und die Gesellschaft langfristig, nachhaltig und wirtschaftlich tragfähig zu gestalten.