Barrierefreiheit von Sportstätten

In gesellschaftlicher Hinsicht ist es ein zentraler Wert, dass Menschen nicht aufgrund bestimmter Gegebenheiten benachteiligt oder sogar diskriminiert werden.

Dr. Jonas Wibowo, Abteilung Sportpädagogik - Bergische Universität Wuppertal
behindertengerechte Sportstätte

Was bedeutet überhaupt Barrierefreiheit von Sportstätten?

Barrierefreiheit ist ein Zustand in dem Menschen an gesellschaftlichen Ereignissen teilhaben können und nicht durch ihre Umwelt benachteiligt werden. Das Behindertengleichstellungsgesetzt zielt dabei auf Menschen mit Behinderungen und deren Gleichstellung zu nicht-behinderten Menschen. Dies bedeutet konkret für eine Sportstätte, dass z. B. ein kleinwüchsiger Mensch in einer Sportstätte am sportkulturellen Leben genauso teilhaben kann, wie ein nichtbehinderter Mensch. Dies ist oftmals nicht der Fall, z. B. durch die Höhe von Bedienelementen wie Armaturen eines Waschbeckens.

Es gibt aber auch allgemeinere Sichtweisen, wie z. B. beim Universal Design, die Barrierefreiheit mit maximaler Zugänglichkeit und optimaler Nutzbarkeit gleichsetzen. Bei einer solchen Sichtweise steht nicht die Gleichstellung im Vordergrund, bei der es ja auch legitim wäre, wenn etwas für alle in gleichem Maße nicht nutzbar ist, sondern es geht darum alle Gegebenheiten so zu verändern, dass sie optimal für alle nutzbar sind. Wer ist nicht schon einmal durch einen viel zu engen Geräteraum an der Nutzung behindert worden? Barrierefreiheit betrifft in dieser Perspektive alle Menschen.

Warum ist Barrierefreiheit von Sportstätten wichtig?

Leider wissen wir, u. a. aus dem Teilhabebericht der Bundesregierung, dass Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft nach wie vor enorm benachteiligt sind. Im Sport zeigt sich dies in deutlich höheren Abstinenzwerten im Vergleich zu nicht-behinderten Menschen. Kommerzielle Akteure müssten sich hier mal überlegen, welche enormen Möglichkeiten bestehen, ihre Zielgruppen und auch Einnahmen auszuweiten, wenn sie die Barrierefreiheit ihrer Sportstätten verbessern und dies entsprechend bewerben.

In meiner Wahrnehmung ist die Tourismusbranche der Sportbranche da deutlich voraus. Einer älteren Schätzung des Wirtschaftsministeriums zufolge handelt es sich beim Tourismus von Menschen mit Behinderungen um einen Milliardenmarkt. Schätzungen zum Sport gibt es allerdings meines Wissens nach nicht. Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren deutliche Anstrengungen unternommen, um solche Diskriminierungen abzubauen. Da sind z. B. das Behindertengleichstellungsgesetz, das Teilhabeförderungsgesetz oder auch die Bundesinitiative Barrierefreiheit zu nennen. Es reicht trotzdem noch nicht. Denkt man diese Entwicklungen weiter sind vermutlich auch für Sportstätten höhere Anforderungen in der Zukunft zu erwarten, wie sie für Dienstleistungen und Produkte schon formuliert wurden. Auch in Bezug auf Nachhaltigkeit ist Barrierefreiheit eine wichtige Größe geworden.

Dies findet sich z. B. im Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude der Bundesregierung. Hier geht es nicht nur um energetische oder ökologische Aspekte, sondern auch um Barrierefreiheit. Wenn Aspekte von Barrierefreiheit aktuell nicht berücksichtigt werden, sind in naher Zukunft für Sportstätten in Bezug auf Barrierefreiheit strengere Anforderungen zu erwarten. Bei einem Neubau sind die Anforderungen sicherlich mit Mehrkosten verbunden, aber wahrscheinlich sind diese deutlich niedriger als im nachträglichen Sanierungsfall.

Was wird in dem Bereich gemacht?

In den letzten Jahren sind eine Menge Leitfäden von kommunalen Akteuren oder Interessensverbänden des Sports zur Barrierefreiheit von Sportstätten entstanden. Mit dem Ziel, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen durch den Abbau von Barrieren im Bereich der Sportstätten zu verbessern hat der Deutsche Behindertensportverband ein Grundsatzpapier zur Barrierefreiheit von Sportstätten veröffentlicht. Außerdem gibt es natürlich noch die DIN-Normen, z. B. für öffentlich zugängliche Gebäude, die DIN 18040.

Bemerkenswert sind außerdem die Sportatlanten in Hessen und Sachsen-Anhalt, in denen nach Verfügbarkeit auch Informationen zur Barrierefreiheit einer Sportstätte gelistet werden. Allerdings beruhen diese Informationen auf Selbstauskünften der Zuständigen vor Ort. Von Seiten der Wissenschaft gibt es leider noch deutlich zu wenig Beiträge. An der Bergischen Universität Wuppertal führen mein Team und ich nun das zweite Projekt zu der Thematik durch.

Nachdem wir sämtliche aktuelle Dokumente hinsichtlich möglicher Kriterien für barrierefreie Sportstätten analysiert haben, haben wir eine Expert:innen-Befragung mit einem breiten Spektrum relevanter Akteure durchgeführt, um aus der Gesamtheit aller möglichen Kriterien die wichtigsten herauszufiltern.

Ziel ist, dass wir standardisiert Informationen über die Barrierefreiheit eines Raums in seiner Gesamtheit abbilden können. Nächstes Jahr werden wir mit unterschiedlichen Personengruppen in verschiedene Sportstätten gehen, um verlässliche Daten dazu zu sammeln, wer in welchem Ausmaß von welchen Barrieren betroffen ist. Im Idealfall unterstützt dies die Akteure bei der Sportstättenplanung das Thema Barrierefreiheit leichter zu berücksichtigen.

Was kann ich tun, um die Barrierefreiheit meiner Sportstätte zu verbessern?

Anfangen und keine Ausreden suchen. Oftmals hören wir, Sanierung zur Barrierefreiheit ist zu teuer. Die meisten denken dann vermutlich an Aufzüge, die installiert werden sollen oder Türbreiten, die vergrößert werden müssen. Tatsächlich sind solche Maßnahmen teuer und übersteigen sicherlich viele kommunale oder unternehmerische Budgets. Solchen Annahmen liegt eine Fokussierung auf vorwiegend zwei Betroffenengruppen zugrunde. Zum einen die Rollstuhlfahrenden und Blinde sowie Sehbehinderte.

Das Vorhandensein von Aufzügen wird manchmal ja sogar synonym für Barrierefreiheit gesetzt. Dieser Fokus in der öffentlichen Wahrnehmung deckt sich mit unseren Daten aus der Dokumentenanalyse. Die Expert:innen sind hier deutlich differenzierter und weisen mehrheitlich darauf hin, dass dies eine unangemessene Verkürzung von Barrierefreiheit darstellt. So spielt z. B. die Bereitstellung von Informationen über Beschilderungen und Leichte Sprache eine zentrale Rolle bei der Frage der niederschwelligen Teilhabe. Symbolische Informationen, wie sie auf Beschilderungen zu finden sind spielen neben Kontrasten kritischer Flächen eine zentrale Rolle bei der Orientierung im Raum, die einen wichtigen Baustein von Barrierefreiheit für sehr unterschiedliche Nutzer:innen-Gruppen darstellen. Beschilderungen und auch Kontraste lassen sich auch mit der heimischen IT oder Materialien aus dem Baumarkt verbessern, ohne intensive Kosten.

Barrierefreiheit ist viel mehr als Aufzüge und Rampen. Es geht um Akustik, Bedienbarkeit, Beleuchtung und Schatten, Ordnungssysteme, Beschilderung, Farbe und Kontrast und natürlich auch Erreichbarkeit, zu der auch Aufzüge, Türbreiten und Rampen gehören.

Deutscher Behindertensportverband e. V. National Paralympic Committee Germany Logo

Der Deutsche Behindertensportverband (DBS) e. V. ist als Spitzenverband im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) für den Sport von Menschen mit Behinderung zuständig. Gleichzeitig hat der DBS die Funktion eines Nationalen Paralympischen Komitees (NPC) für Deutschland.

Dr. Jonas Wibowo
Abteilung Sportpädagogik
Bergische Universität Wuppertal

Zur Person: Dr. Jonas Wibowo ist akademischer Rat an der Bergischen Universität Wuppertal in der Abteilung Sportpädagogik und forscht u. a. zur Barrierefreiheit von Sportstätten in Kooperation mit dem Deutschen Behindertensportverband.

Deutscher Behindertensportverband e. V. National Paralympic Committee Germany Logo

No go’s

keine stufenlosen Flucht- und Rettungswege

keine Umzieh- und Duschmöglichkeiten für Rollstuhlfahrer

zu wenig Wasserdruck beim Duschen, so dass Personen, die im Sitzen duschen den Schaum nicht aus den Haaren bekommen